Zusammenfassung - Modellierung mit Binomialverteilungen
Entwicklung mathematischer Modelle
Modelle kommen immer dann zum Einsatz, wenn Probleme aus einem realen Kontext mit Mitteln der Mathematik bearbeitet werden.
Wir betrachten hier Situationen, in denen Wahrscheinlichkeitsverteilungen bei der Bearbeitung eine zentrale Rolle spielen.
Die folgende Übersicht zeigt ein solches Vorgehen:
Beispiel: Linkshänder
Realität | Mathematik |
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Situation
Modell
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In einer 1. Klasse wollen 5 von 20 Kindern mit der linken Hand schreiben. Ist das ungwöhnlich, wenn ca. 10% der Bevölkerung Linkshänder sind? |
Zufallsexperiment: Bei $20$ Kindern beobachten, mit welcher Hand sie bevorzugt schreiben. Geg.: Bernoulli-Kette mit $n = 20$ und $p = 0.1$ (Treffer: Linkshänder) Ges.: $P(X = 5)$ ($X$: Anzahl der Linkshänder) |
Deutung
Ergebnis
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Wird bei 100 Klassen mit jeweils 20 Kindern untersucht, mit welcher Hand die Kinder schreiben, dann ist aufgrund der Häufigkeit der Linkshänder in der Bevölkerung zu erwarten, dass in ca. 3 dieser Klassen 5 Linkshänder sind. Es kommt also durchaus vor, dass in einer Klasse mit 20 Kindern 5 Linkshänder sind. |
$X$ ist eine binomialverteilte Zufallsgröße. Mit der Formel von Bernoulli folgt: $P(X = 5) \approx 0.032$ |
Die Übersicht zeigt einen Modellbildungszyklus:
- Ausgehend von einer realitätsnahen Problemsituation wird zunächst ein mathematisches Modell entwickelt.
- Innerhalb dieses Modells wird dann mit mathematischen Überlegungen ein mathematisches Ergebnis erzielt.
- Abschließend erfolgt eine Deutung dieses Ergebnisses als Lösung des Problems im realen Kontext.
Das mathematische Modell basiert hier auf der Annahme, dass die Problemsituation als Bernoulli-Kette angesehen und somit eine passende Binomialverteilung beim Lösen des Problems benutzt werden kann.
Ob dieses Vorgehen gerechtfertigt ist, muss sorgfältig geprüft werden:
- In jeder Stufe gibt es genau zwei Ergebnisse: Treffer und Niete.
- In jeder Stufe sind die Wahrscheinlichkeiten dieser beiden Ergebnisse gleich.
In der vorgegebenen Problemsituation wird beobachtet, mit welcher Hand ein Kind bevorzugt schreibt. Bei der Modellierung sind wir davon ausgegangen, dass jedes Kind eine bevorzugte Hand hat, sodass es nur die beiden Möglichkeiten „linke Hand“ (als Treffer) und „rechte Hand“ (als Niete) gibt. Diese Annahme ist in der Regel erfüllt.
Beim Zufallsexperiment „bei $20$ Kindern beobachten, mit welcher Hand sie bevorzugt schreiben“ werden die $20$ Kinder als
Stichprobe aus der Gesamtheit der Bevölkerung betrachtet. Die Stichprobe wird im vorliegenden Zufallsexperiment
durch ein Ziehen ohne Zurücklegen gebildet, da ja kein Kind mehrfach betrachtet wird.
Beim Ziehen ohne Zurücklegen ändert sich normalerweise die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer in jeder Stufe des Ziehvorgangs.
Da die Grundgesamtheit im betrachteten Kontext sehr viel größer als der Stichprobenumfang ist, ist die Änderung hier verschwindend gering.
Es ist demnach möglich und sinnvoll, von annähernd gleichen Wahrscheinlichkeiten in jeder Stufe (d. h. bei jedem Kind) auszugehen.
Im betrachteten Beispiel spielt die Binomialverteilung eine zentrale Rolle. Immer dann, wenn kleine Stichproben aus einer großen Grundgesamtheit betrachtet werden, kann die Binomialverteilung als Standardmodell benutzt werden. Beachte, dass es aber auch andere Wahrscheinlichkeitsverteilungen gibt, die in anders gelagerten Situationen (wie z. B. Stichproben bei kleinen Grundgesamtheiten) zum Einsatz kommen.